Ein Zitat
"Je näher du der realen Materie kommst, Stein, Luft und Holz, Junge, desto spiritueller ist die Welt." Jack Kerouac (1922–1969)
Foto © Jörg Niederer
Hingesehen
Gestern unterhielt ich mich kurz mit einem pensionierten Schreiner. Aktuell katalogisiert er historische Gegenstände, die zur handwerklichen oder bäuerlichen Welt von einst gehören und in einem Museum lagern. Dass er als Schreiner solche Arbeit tut, hat damit zu tun, dass früher sehr viele Gegenstände aus Holz hergestellt wurden, vom ganzen Wohnhaus über den Hobel bis zur Holzschraube, vom Schneidbrett über das Furnier bis zum Gartenmöbel, von den Intarsien über das Ehebett bis zum Cellophan.
Holz war das Plastik von einst. Holz hat aber gegenüber Kunststoffen den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass es sich natürlich zersetzt. Es verwittert. Holz bleibt nicht ewig, wird nicht zu Mikroplastik, das zunehmend unser Leben belasten. Holz altert je nach Konservierung schneller oder langsamer. An Burgruinen lassen sich die Aussparungen für die Holzbalken im Gemäuer oft noch gut erkennen, während es die Balken schon lägst nicht mehr gibt. Wenn man uraltes Holz findet, dann meist in Moorböden oder an ganz trockenen Orten in Wüsten. Unter Luftabschluss geht die Zersetzung sehr langsam voran. In Trockenheit kann Holz versteinern.
Auf dem Foto sieht man eine typische Detailansicht eines Heuschobers im Alpenraum. Vielleicht wurde er auch als Stall für Ziegen oder Schafe genutzt. Ein landwirtschaftlicher Multifunktionsraum, dessen Struktur und Hülle zu einem grossen Teil aus Holz besteht. Luftig gebaut dient ein solcher Schuppen der Zwischenlagerung und weiteren Trocknung des eingebrachten Heus. Er dient aber auch verschiedensten Wildtieren als Unterschupf, allen voran Vögeln Fledermäusen und Insekten. Oft ist leicht zu erkennen, welche Balken im Laufe der Jahrhunderte ersetzt werden mussten. Andere Bretter zeigen deutliche Spuren des Gebrauchs. Letzteres wird oft als malerisch, charaktervoll und idyllisch wahrgenommen. Balken, einst verborgen hinter Wand- und Deckenverkleidungen werden bei Renovationen oft wieder hervorgeholt, sichtbar gemacht, um einen Raum heimelig zu gestalten. Wirtshaustische zeigen stolz Spuren der Gäste vieler Jahrzehnte und Jahrhunderte.
Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, sagt man. Aber Holz ist soviel mehr. Darum gehe ich heute ein bisschen Waldbaden. Oder auch ganz prosaisch gesagt: Ich gehe wandern. Einen grossen Teil davon im Wald.
Jörg Niederer
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