Samstag, 22. November 2025

Afrikanischer Abschied

Ein Zitat

Viele Menschen finden sich bei den Gräbern auf dem Friedhof Madretsch in Biel ein und nehmen Abschied vom verstorbenen methodistischen Pfarrer Dosithé Mangandu.
Foto © Jörg Niederer
"Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir." Bibel: Psalm 130,1 

Hingesehen

Es ist richtig kalt, am Morgen des 21. Novembers 2025. Schon im Stadtbus ist das bei den auffällig vielen Menschen mit afrikanischen Wurzeln ein Thema. Alle steigen beim Friedhof Madretsch in Biel aus. Der Parkplatz ist voll. Um die 400 Menschen nehmen dort in der Kapelle und am Grab Abschied von Dosithé Mangandu. Ich bin einer der wenigen hellhäutigen Menschen, die dem viel zu früh kurz vor Vollendung des 52. Lebensjahrs verstorbenen Pfarrer der methodistischen Gemeinde "Reste de Victoire" zum Grab folgen.

Sie ist so ganz anders, diese Beisetzung. Die vielen kongolesischen Fähnchen und Farben. Die übervolle Kapelle, in der eine grossen Zahl der Menschen sitzend und stehend zwei Stunden den Worten der Rednerinnen und Redner lauschen. Immer wieder dieses laute Trällern, das Wehklagen der Frauen, die afrikanischen Lieder und Rhythmen, der Applaus nach den vielen Reden. Alles wird per Film und Foto festgehalten. Gänsehautmomente kommen auf, als die Witwe ans Mikrofon tritt, dann der Sohn, und zuletzt die Tochter. Diese nimmt die Gitarre, stimmt mit dem Chor zwei Lieder an. Irgendeinmal heisst es, dass nun alle anwesenden Pfarrpersonen nach vorn kommen sollen. Zuhinterst auf der Empore platziert gibt es für mich kein Durchkommen durch die eng stehenden Menschen. Ich schaffe es gerade einmal in den Gottesdienst-Vorraum. Dort sehe ich, wie die Trauerfamilie an mir vorbei in den eisigen Winter hinaustritt. Wir alle folgen ihr und dem per Auto transportierten Sarg ans Grab. Ein Trompeter spielt im Stil der amerikanischen Trauermarsch-Formationen Heilslieder. Es dauert seine Zeit, bis alle am Grab eintreffen. Viele Worte werden dort nicht mehr gemacht. Es ist wohl zu kalt dafür. Auch da ist kein schnelles Durchkommen zu Grab. Ich nehme mir vor, später einmal an den Ort zurückzukommen, um dort eine Blume niederzulegen. Dann zerstreut sich die Menschenmenge. Zu den letzten gehören die Witwe, flankiert von Tochter und Sohn, die an den nächsten Ort der Trauer aufbrechen. Einer wohl aus der näheren Verwandtschaft trägt das grosse Foto von Dosithé Mangandu, das in der Kirche zwischen den Trauerkränzen stand. Wo es wohl in Zukunft stehen und das Andenken an den Verstorbenen lebendig halten wird?

Jörg Niederer


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