Ein Zitat
![]() |
| Foto © Jörg Niederer |
Hingesehen
Im Tierreich gibt es etwas ähnliches wie die Vergewaltigung. Die Biologen nennen es "Erzwungene Kopulation". Das macht Sinn. Denn anders als bei Menschen geht es dabei nicht um Machtausübung, sondern um den Versuch von Erpeln, eigenen Nachwuchs zu zeugen.
Selbst habe ich die erzwungene Kopulation schon bei Stockenten beobachtet. Dabei haben zwei Erpel das Weibchen eines Entenpaares ins Visier genommen und versucht, mit diesem zu kopulieren. Das verpaarte Männchen tat alles, um dem Weibchen zu helfen, aber wohl ohne Erfolg. Nacheinander kamen die beiden Stockenten zum Schuss. Danach wurde es wieder ruhig.
Möglich ist die erzwungene Kopulation, weil Entenerpel einen Penis haben. Die meisten heutigen Vögel haben dieses Relikt aus grauer Vorzeit nicht mehr. Meist ist der Entenpenis klein verpackt im Körper verborgen. Doch in der Paarungszeit kann er das Zehnfache an Grösse erreichen. Aufgepumpt wird er in Sekundenbruchteilen mittels der Lymphe, einer klaren Flüssigkeit. Das Ergebnis bei der Stockente ist ein spiralförmiges, mit feinen Rippen versehenes Glied, das nicht so ohne weiteres in die Vagina des Weibchens eingeführt werden kann. Denn diese Vagina ist genau anders herum gewunden und enthält noch so einige weitere Gänge, die in Sackgasse enden. Nur wenn das Weibchen sich selbst mit dem Erpel paaren will, nimmt es eine ganz bestimmte für die Paarung erfolgreiche Stellung ein. Erzwungene Kopulation führen nur in 4 % der Fälle zum Erfolg.
Lange Zeit meinte man, das Entenweibchen sei nicht in der Lage, die Gene seiner Jungen mitzubestimmen. Heute weiss man, dass es gerade anders herum ist: Die Weibchen bestimmen über den Ausgang einer Kopulation. Zwar können sie erzwungene Kopulationen nicht verhindern, sie sind ja auch kleiner und schwächer als die Erpel, aber den Weg der Gene bestimmen nicht die Erpel, sondern die Entenhennen, mittel biologischer Empfängnisverhütung.
Jörg Niederer

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen