Donnerstag, 27. November 2025

Christusaugen

Ein Zitat

Blaue und weisse Stiefmütterchen mit Rändern aus Raureif in einem Zierbeet in Winterthur.
Foto © Jörg Niederer
"Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen." Redensart aus dem Märchen Aschenputtel

Hingesehen

Dass die Freidenker ausgerechnet eine Blume als Symbol ausgesucht haben, die auch "Christusauge" genannt wird, ist schon erstaunlich. Sie haben sich wohl stärker an der französischen Bezeichnung "La Pensée" orientiert, welche nicht nur die Bezeichnung für das Stiefmütterchen ist, sondern auch noch mit "der Gedanke" übersetzt werden kann.

Beim Nachdenken komme ich als Pfarrer schon früher oder später auf Christus, wobei ich da weniger an sein Auge denke.

Nun gibt es nebst dem Stiefmütterchen noch andere Blütenpflanzen, welche Christusauge genannt werden. Da wären die Konen-Lichtnelke, die Ringelblume, der Christusaugen-Alant und der Echter Bartpippau. Das Auge des Christus ist damit kaum blumentechnisch genau zu bestimmen, einmal abgesehen davon, dass alle so bezeichneten Blumen schön sind.

Die Bezeichnung "Stiefmütterchen" ist vom Märchen der bösen Stiefmutter (bzw. von Aschenputtel oder Cinderella) hergeleitet. Dabei werden die fünf Blütenblätter auf die verschiedenen Rollen aufgeteilt. Das eine zentrale, visuell unten befindliche Kronblatt ist die "Stiefmutter". Dieses bedeckt teilweise die darüber liegenden zwei seitlichen "Töchter", und diese ihrerseits die beiden "Stieftöchter"

Genau so funktioniert das Gedächtnis. Mit einer Geschichte erinnere ich mich leichter an Namen, Reihen und Ereignisse. Damit wären wir wieder bei der französischen Bezeichnung: "La Pensée", also beim Gedenken und Nachdenken. Der Kreis schliesst sich.

Bleibt noch eine offene Sache: Im Märchen von Aschenputtel ist von zwei Stiefschwestern die Rede, aber nicht von zwei Aschenputteln. Vielleicht gibt es ja eine entsprechende Version, die mir aber nicht bekannt wäre. Vermutlich hat man es bei der Blumen-Namensgebung der "Stiefmütterchen" nicht ganz so genau genommen mit der Geschichte. Da bekommt der Ausruf: "Erzähl keine Märchen" doch gleich noch eine tiefere Bedeutung.

Jörg Niederer

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