Donnerstag, 18. Dezember 2025

Adventlicher Biohaufen


Ein Zitat

Ein mit Tautropfen übersätes Fadengespinst eines Schimmelpilzes auf einem Kothaufen sieht aus wie ein adventlich geschmückter, glitzernder Igel.
Foto © Jörg Niederer
"Glück ist wie Glas – je heller das Glitzern, desto leichter zerbricht es." Publilius Syrus, 1. Jhd. v. Chr.

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Vielleicht war es ein Fuchs, vielleicht auch ein Hund, der dort am Mülibach seine Hinterlassenschaft liegen gelassen hatte. Bald schon breiteten sich darauf Schimmelpilze aus. Feinen Fäden wuchsen dicht beieinander in alle Himmelsrichtungen. Nichts Appetitliches. Doch dann kam die feuchte, kalte Nacht und legte kleine Tauperlen fein aufgereiht über das Gespinst. Fertig war der adventliche Biohaufen. Eine ernsthafte Konkurrenz für den mit Kristallperlen geschmückten Swarovski-Weihnachtsbaum im Zürcher Hauptbahnhof.

Faszinierend, was die Natur und das Wetter aus Dung so alles machen können. Was zufällig geworden ist, ein Mensch könnte es wohl nicht annähernd so kunstvoll wirken.

Doch nur wenige Parameter müssen ändern, und aus diesem kleinen Wunderwerk wird wieder gewöhnliche Sch…dreck am  Wanderwegrand.

Jörg Niederer


Mittwoch, 17. Dezember 2025

Sonne gefunden

Ein Zitat

Eine Hecke bei Vorder-Guldenen im Zwielicht von Nebel und Sonne.
Foto © Jörg Niederer
"Wegen Nebel muss kein Vorhaben ausfallen." Redensart, bei der "Nebel" für einen "undurchsichtigen Grund" steht. 

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Der Spannungsbereich von Neben und Sonne ist immer wieder gut für herzerwärmende Augenblicke. Meine Tour von Kapelle zu Alterszentrum zu Kinderkrippe zu Spital zu Freizeithaus zu Kapelle, alle mit methodistischem Hintergrund, führt mich immer wieder an Orte und in Wetterumstände, die ich sonst wohl nicht entdecken würde. So auch am vergangenen Montag, als unser Weg – meine Frau begleitete mich auf diesem Abschnitt – von Egg über Vorder-und Hinter-Guldenen mit seinen wunderbaren Rietflächen und Waldlichtungen via Mülitobel hinunter ins Küsnachter Tobel und zur Bethesda Altersresidenz in Itschnach führte. Da oben auf Vorder-Guldenen stellte sich das ein, was wir nebelgeplagten Mittelländer:innen uns erhofften. Auf knapp 800 Höhenmeter erlebten wir, wie der Nebel, geblendet vom Sonnenlicht, erst einmal noch undurchdringlicher wurde. Doch dann – über uns blauer Himmel. Am Boden huschte der Schatten im Wandertempo. Warm wurde es uns für diese Viertelstunde, in der wir immer wieder ins Zwielicht von Nebel und Sonne gerieten. Nur kurz war dieses Gipfelerlebnis. Im Wald dann regneten die Bäume ihren Raureif und einige kleine Eiszapfen ab. So wurden wir nass in heiterem, nebeldiffusem Licht. Neben uns plätscherte und rauschte der Mülibach, ein Wasseramselpaar putzte sein Gefieder und weitere Vögel zwitscherten einander ihre Geschichten zu.

Jörg Niederer

Dienstag, 16. Dezember 2025

Ausgepuzzelt

Ein Zitat

Foto des Ravensburger Puzzles, auf dem der Ort Hamnøy auf den Lofoten zu sehen ist. Das Puzzle besteht aus 3168 Teilen.
Foto © Jörg Niederer
"Leute, die Kreuzworträtsel [oder Puzzles] lösen, wissen, dass sie das Rätsel für eine Weile beiseite legen sollten, wenn sie keine Fortschritte mehr machen." Marilyn vos Savant (*1946).

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Gestern Montag, genau um 18.01 Uhr wahr es soweit. Das letzte Teil fand den Weg an seinen Platz im aus 3168 Teilen bestehenden Puzzle der Ortschaft Hamnøy auf den norwegischen Lofoten. Fertig geworden bin ich nicht ganz wie geplant auf meine Pensionierung hin (Siehe Beitrag vom 1. Februar 2025!). Es hat nun gut 105 Tage länger gedauert. Grund war eine lange Puzzlepause, in der unser Stubentisch zwar belegt, aber nicht so recht genutzt werden konnte. Die letzten drei Wochen nun habe ich mich aufgerafft, und die noch ausstehende Hälfte des Zusammensetzspiels nach und nach vollendet.

Erstaunlich, dass über diese lange Zeit keines der Teile verloren gegangen ist. Einige von ihnen lange durchaus mehrere Monate absturzgefährdet nahe der Tischkante.

Jetzt also ist das Puzzle fertig, es sieht schön aus, doch schon ist das nächste Problem da. Wer macht schon von leichter Hand nach so vielen Stunden der Konzentration, nach so intensiver Suche nach den jeweils passenden Stücken das fertige Werk wieder kaputt und verpackt es in eine Kiste? Mir fällt das schwer. Manche hängen die fertigen Puzzlebilder dann an eine Zimmerwand. Aber so wichtig ist mir diese Landschaft bei Hamnøy auch wieder nicht, dass ich sie jeden Tag anschauen möchte.

Weitere Möglichkeiten bestehen darin, dass ich das Bild noch bis zum nächsten Besuch auf dem Tisch belasse. Der kommt weihnachtsbedingt schon bald. Wir könnten es für das Festessen auch mit Karton und Tischtüchern abdecken, doch auch diese Version befriedigt mich nicht ganz.

So werde ich wohl bald wieder das Bild auseinandernehmen, und die Teile in der zugehörigen Kartonkiste verschwinden lassen. Zugleich werde ich mich fragen: Habe ich wirklich alle 3168 Teile wieder versorgt? Oder ist mir im Verlauf des Verpackungsprozesses eines abhanden gekommen. Herausfinden kann ich es nur, wenn ich die Fragmente wieder zu einem Ganzen zusammensetzte, was ich wohl bis ins Greisenalter nicht mehr tun werde. Verschenken ist auch heikel, wenn man nicht mit letzter Sicherheit weiss, ob wirklich noch alle Teile vorhanden sind.

Ganz schön viele Probleme, die sich bei dieser Freizeitbeschäftigung ergeben. Aber jetzt mal genehmige ich mir zur Feier des Erreichten einen feinen Espresso.

Jörg Niederer

Montag, 15. Dezember 2025

Ein Loblied auf das Holz

Ein Zitat

Detailansicht eines Heuschobers, der wohl auch als Stall für Ziegen oder Schafe genutzt wurde.
Foto © Jörg Niederer
"Je näher du der realen Materie kommst, Stein, Luft und Holz, Junge, desto spiritueller ist die Welt." Jack Kerouac (1922–1969)

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Gestern unterhielt ich mich kurz mit einem pensionierten Schreiner. Aktuell katalogisiert er historische Gegenstände, die zur handwerklichen oder bäuerlichen Welt von einst gehören und in einem Museum lagern. Dass er als Schreiner solche Arbeit tut, hat damit zu tun, dass früher sehr viele Gegenstände aus Holz hergestellt wurden, vom ganzen Wohnhaus über den Hobel bis zur Holzschraube, vom Schneidbrett über das Furnier bis zum Gartenmöbel, von den Intarsien über das Ehebett bis zum Cellophan.

Holz war das Plastik von einst. Holz hat aber gegenüber Kunststoffen den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass es sich natürlich zersetzt. Es verwittert. Holz bleibt nicht ewig, wird nicht zu Mikroplastik, das zunehmend unser Leben belasten. Holz altert je nach Konservierung schneller oder langsamer. An Burgruinen lassen sich die Aussparungen für die Holzbalken im Gemäuer oft noch gut erkennen, während es die Balken schon lägst nicht mehr gibt. Wenn man uraltes Holz findet, dann meist in Moorböden oder an ganz trockenen Orten in Wüsten. Unter Luftabschluss geht die Zersetzung sehr langsam voran. In Trockenheit kann Holz versteinern.

Auf dem Foto sieht man eine typische Detailansicht eines Heuschobers im Alpenraum. Vielleicht wurde er auch als Stall für Ziegen oder Schafe genutzt. Ein landwirtschaftlicher Multifunktionsraum, dessen Struktur und Hülle zu einem grossen Teil aus Holz besteht. Luftig gebaut dient ein solcher Schuppen der Zwischenlagerung und weiteren Trocknung des eingebrachten Heus. Er dient aber auch verschiedensten Wildtieren als Unterschupf, allen voran Vögeln Fledermäusen und Insekten. Oft ist leicht zu erkennen, welche Balken im Laufe der Jahrhunderte ersetzt werden mussten. Andere Bretter zeigen deutliche Spuren des Gebrauchs. Letzteres wird oft als malerisch, charaktervoll und idyllisch wahrgenommen. Balken, einst verborgen hinter Wand- und Deckenverkleidungen werden bei Renovationen oft wieder hervorgeholt, sichtbar gemacht, um einen Raum heimelig zu gestalten. Wirtshaustische zeigen stolz Spuren der Gäste vieler Jahrzehnte und Jahrhunderte.

Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, sagt man. Aber Holz ist soviel mehr. Darum gehe ich heute ein bisschen Waldbaden. Oder auch ganz prosaisch gesagt: Ich gehe wandern. Einen grossen Teil davon im Wald.

Jörg Niederer

Sonntag, 14. Dezember 2025

Geschenke

Ein Zitat

Die Kirche St. Johann in Schaffhausen in einer Adventsnacht im Jahr 2025.
Foto © Jörg Niederer
"Ja, vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang wird mein Name bei den Völkern verehrt... Ja, bei den Völkern wird mein Name verehrt, sagt der Herr Zebaot. Ihr aber entehrt ihn, indem ihr sagt: 'Man darf den Tisch des Herrn unrein machen, und das Speiseopfer für ihn darf man vernachlässigen.'" Bibel: Maleachi 1,11+12

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Der Prophet Maleachi übt heftige Kritik an den Priestern seiner Zeit. Scheinbar nahmen die Männer im Tempel ihren Dienst für Gott nicht mehr so genau. Kranke Tiere kamen auf den Altar. Das Opfer wurde als lästige Arbeit angesehen.

Dieses skandalöse Verhalten offenbart eine Haltung. Gott ist den Menschen nicht mehr so wichtig. Gott hat an Bedeutung verloren. Aber es ist nicht Gott, der an Bedeutung verliert, sondern Menschen verlieren die Bedeutung Gottes aus den Augen. Darum wird Gottesdienst oberflächlich und geschieht ohne wirkliche Freuden.

Dazu eine Geschichte:  

An Weihnachten beschenken sich die Menschen. Einmal mehr überlegte sich John, was er wem schenken wollte. Es galt klug abzuwägen. Den Schenken war mehr als Wohltätigkeit. er wollte seine Frau, die er liebte, mit etwas Besonderem überraschen. Bei seinem Chef, den er verachtete, dachte er an einen billigen Wein. Bei den Eltern wusste er wie so oft nicht, was sie noch brauchen könnten. Doch nichts zu geben, wäre ein falsches Signal gewesen. So entschloss er sich für eine Weihnachtstorte mit persönlicher Widmung. Die selbe Sorte, die er übrigens auch den Schwiegereltern zustellen lassen wollte.

Während er so überlegte, wurde ihm bewusst, wie berechnend er schenkte. Sympathie und Antipathie spielten eine grosse Rolle. Ebenso, wieviel er an Geschenken erwarten konnte von denen, die er seinerseits beschenken wollte.

Da dämmerte ihm die Frage. Sie liess sich nicht mehr wegdenken: Was ist mir Gott wert? Was will ich für Gott investieren?

Jörg Niederer

Samstag, 13. Dezember 2025

Huhn oder Ei

Ein Zitat

Ein Haus mit Holzerker in Ennenda. Der Erker sieht verdächtig nach einem Plumpsklo aus.
Foto © Jörg Niederer
"Gäste werden auf dem Klo nicht alt, lässt man es dunkel und auch kalt." Toilettenspruch

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Die ewige Frage: Was war zuerst da? Das Huhn oder das Ei? Es kann nicht beides zugleich gewesen sein. So gestellt ist die Frage wissenschaftlich beantwortet. Das Ei gab es bei anderen Lebensformen schon lange vor dem Huhn. Schwieriger wird es, wenn man fragt: Was war zuerst da, eine Lebensform, die Eier legt oder das Ei, aus dem die Lebensform die Eier legt, geschlüpft ist? Naturwissenschaftlich ist die Frage beantwortet. Weder das Eine noch das Andere, sondern etwas davor, aus dem Spezies und zugehöriges Ei sich nach und nach entwickelten.

Diese philosophische Frage vom Huhn und Ei kann sich mitunter auch architektonisch stellen. Etwa wie auf dem Foto vom Haus mit den Holzerker, der über dem Hauseingang thront. Der Anbau sieht verdächtig nach einem ehemaligen Plumpsklo aus. Dann wäre der Hauseingang erst später an diese Stelle verschoben worden. Denn wer will schon über die Fäkaliengrube und unter dem Lokus hindurch das Haus betreten, immer in der Gefahr, vom Hausherrn oder der Hausdame im falschen Moment (an-)getroffen zu werden. Die Verlegung des Hauseingangs unter das Klo wäre folglich zeitgleich mit dem Anschluss desselben an die Kanalisation erfolgt.

Andererseits könnte auch der Hauseingang zuerst an dieser Stelle gewesen sein und das Plumpsklo stand einst freistehend hinter dem Haus zwischen den Blumenrabatten. Bei der Sanierung der Liegenschaft wurde dann der "Holzthron" im Garten ins Haus verlegt, was am einfachsten ohne grossen Raumverlust bewerkstelligt werden konnte, indem man es über dem Hauseingang in einen netten kleinen Holzerker platzierte. Unnötig zu sagen, dass das zeitgleich mit dem Anschluss an die Kanalisation erfolgt sein musste.

Das Klo über dem Hauseingang ist ein gar nicht so abwegiger (!) Standort. An beiden Orten hält man sich relativ kurze Zeit auf und an beiden Orten ist ein (An-)Kommen und (Ab-)Gehen. Beides sind willkommene (und will-kommende) Orte, ohne die ein Haus unvollständig wäre. Und an beiden Orten erfolgt ein Übergang von privatem zum öffentlichem Raum. Geschickt geplant darf der Natur hier ihren Lauf gelassen werden. Womit ich doch noch die Kurve gekriegt habe zum eigentlichen Anliegen dieses Blogs. Zur Natur, und ihrer Koexistenz mit Kultur und Philosophie.

Jörg Niederer

Freitag, 12. Dezember 2025

Die reichste Gemeinde der Schweiz

Ein Zitat

Die Reihenarbeiterhäuser am Kirchweg in Ennenda sind teilweise mit geschweiften Quergiebeln versehen.
Foto © Jörg Niederer
"Eine wissenschaftliche Volkskunde hat nicht die Aufgabe, die Vergangenheit zu verklären, sondern sie zu verstehen..." Hans Trümpy (1917–1989) Volkskundler aus Ennenda

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Ennenda definiert sich von Ausserhalb. Denn der Ortsnamen bezeichnete ursprünglich ein Gebiet auf der anderen Seite des Flusses. Das meinte die ursprüngliche Bezeichnung "Ennet-A", also im Dialekt "ennet em Fluss".

Dort in Ennenda mussten die Bewohnerinnen einst keine Einkommenssteuern zahlen. Ende des 19. Jahrhunderts war der Ort vielleicht die reichste Gemeinde der Schweiz, was sich anhand des prunkvollen Gemeindehauses und der Villen gut erkennen lässt. Eine blühende und erfahrene Industrie war die Grundlage dazu. So heisst es im Wikipedia-Artikel: "Die Rechnungen wurden von den Fabriken und deren Herren übernommen – selbst für das Armenwesen."

Es begann im Jahr 1616. Da waren Schiefertische das grosse Geschäft. Später wurde der Stoffdruck und die Glarner Tücher zum Exportschlager. Fast alle Industrieunternehmen im Kanton waren irgendeinmal in den Händen von Investoren aus Ennenda. Auch besassen die Industriellen grosse Teile des Klöntals.

Das war einmal. Heute hat der Schweizer Chocolatier Läderach hier seinen Sitz. Wollen die Touristen jedoch mehr Schokoladiges erleben, gehen sie ins "House of Läderach" nach Bilten.

Was es in Ennenda auch gibt: Gut erhaltene Reihen-Arbeiterhäuser am Kirchweg. Im Wikipedia-Artikel gibt es davon ein sehenswertes Luftbild von 1925, aufgenommen vom Luftfahrtspionier Walter Mittelholzer.

Auch faszinierend: Vom tiefsten Punkt der Gemeinde auf 462 m ü. M. bis zum höchsten Punkt am Schwarzstöckli auf 2348 m ü. M. geht es 1886 Meter aufwärts. Wandernd errechnet SchweizMobil zwischen den beiden Punkten eine Wanderzeit von etwas mehr als 7 Stunden bei einer Distanz von nur gerade 10,2 Kilometern. Das wäre doch einmal eine Bergtour für ambitionierte Wandernde, die dann ja auch noch den Rückweg antreten müssten.

Jörg Niederer

Donnerstag, 11. Dezember 2025

In der Talmulde

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Die Orte Ennenda und Glarus in der Wintersonne. Im Hintergrund die Berge Glärnisch und Rautispitz.
Foto © Jörg Niederer
"Gott gab die Zeit, von Eile hat Er nichts gesagt." Anschrift an einem Haus in Glarus

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Heute gibt es ein Gedicht von Jakob Vogel (1816-1899). Der Glarner hatte seine Druckerei direkt beim Landsgemeindeplatz. Genannt wurde er der "Vogel von Glarus". In dieser wunderschönen Landschaft muss wohl gedichtet werden.

"Der Tag verblüht

Der Tag verblüht / Und in der heil'gen Stille / Stirbt hin das Lied, / Das klagende, der Grille.

Kein Lüftchen geht; / Das Bächlein murmelt leise / Im Kieselbett / Die alte Wanderweise!

Die Höh'n verglühn / Und es fängt an zu dunkeln – / Am Himmel blühn / Die Sterne auf mit Funkeln!

Ruh', ringsrum Ruh'; / Ja, alles atmet Frieden: / O, gieb ihn du, / Natur, auch mir, dem Müden!"

Jörg Niederer 

 

Mittwoch, 10. Dezember 2025

Erstes Hospiz im Kanton Glarus

Ein Zitat

Das zu den Bethesda Alterszentren AG gehörende Salem in Ennenda wird aktuell umgebaut.
Foto © Jörg Niederer
"Mitgefühl bedeutet, ich kümmere mich um den Anderen - ich sorge für ihn. Wenn wir einen Menschen in unserer Institution glücklicher und freudiger machen können, so sollten wir es auf jeden Fall tun, mag er uns darum bitten oder nicht." Martin Ammann, Zentrumsleitung Alters- und Pflegezentrum Salem

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Gestern holte ich einen weiteren Abschnitt auf meinem Kapellenweg zu Häusern aus methodistischer Tradition nach. Es ging von Glarus via Ennenda nach Netstal. Diesmal war ich gemeinsam mit meiner Frau unterwegs.

Deben den bisherigen Wohnbereichen mit 70 Zimmern wurden im Neubau Salem Park 19 Alterswohnungen erstellt.
Schon nach nicht einmal zwei Kilometern Wegs kehrten wir im Salem zu einem feinen Mittagessen ein. Das Salem Ennenda gehört wie die Seerose (Siehe Beitrag vom 2. Dezember!) zu den Bethesda Alterszentren AG. Auf Einladung des dortigen Seelsorgers und Pfarrkollegen verbrachten wir eine anregende Stunde in der Cafeteria. Zum Mittagessen gab es ausgezeichnete Kürbisstrudel.

Das Salem Ennenda entstand aus einer diakonischen Pflegeeinrichtung im Jahr 1917, gegründet vom Prediger der Freien Evangelischen Gemeinde (FEG). Nach verschiedenen Ausbauten übernahm 2013 die zum Diakonat Bethesda Basel gehörend Bethesda Alterszentren das Werk. 2015 wurden bei einem Anbau weitere Zimmer erstellt. Damit gibt es im Salem Ennenda nun 70 Betten in fast ausschliesslich Einzelzimmern. Ebenfalls in den Häusern zu finden ist die Demenzabteilung mit dem passenden Namen "Vergissmeinnicht".

Eine Besonderheit ist das erste Hospiz im Kanton Glarus, das im Salem Ennenda untergebracht ist. Dort werden Menschen palliativ und seelsorglich auf ihrem letzten Lebensabschnitt begleitet. Nach einem Testbetrieb von vier Jahren hat die Glarner Regierung den dauerhaften Betrieb von drei Hospizbetten beschlossen.

Ganz neu sind seit 2025 in einem schönen Neubau, dem Salem Park, 19 Alterswohnungen entstanden. Sie runden das Angebot des Alterszentrums ab.

Ein Standortvorteil an diesem Ort ist auch die atemberaubende Berglandschaft, in der wir uns nach dem Besuch im Salem dann noch wandern weiterbewegten. Sehr empfehlenswert ist dabei der "Glarus Rundweg" auf dem Abschnitt zwischen Ennenda Oberdorf und Ännetrösligen, wobei im Winter auf die Lawinengefahr zu achten ist. Der Weg führt leicht erhöht zwischen wunderschön erstellten Trockensteinmauern östlich von Ennenda dem Hang entlang. Dabei gibt es immer wieder für die Region charakteristische Architektur zu bestaunen, und natürlich auch die Berge Glärnisch, Rautispitz, Gumenstock, Schijen und noch viele mehr.

Jörg Niederer

Dienstag, 9. Dezember 2025

Fridlis Friedhof

Ein Zitat

Der Friedhof von Niederurnen mit seinen kahlen schneeweissen Birken. Im Hintergrund erhebt sich der Fridlispitz über dem Totenacker.
Foto © Jörg Niederer
"In dir selbst ist eine Ruhe und eine Heiligtum, in welches du dich jederzeit zurückziehen und ganz du selbst sein kannst." Hermann Hesse (1877-1962)

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Heute ist mein einhundertster Tag nach der Pensionierung. Es war bisher eine bewegte Zeit. Manche Stunde haben ich beim Herumstreifen verbracht. So bin ich auch am Friedhof Niederurnen vorbeigekommen. Jetzt im Winter leuchten die schneeweissen Birken am Rand der Gräberfelder im Sonnenlicht. Über dieser Szenerie erhebt sich der Fridlispitz. Erst als ich den Namen dieses Grenzbergs zur Linthebene buchstabierte, wurde mir bewusst, dass der Gipfel seinen Namen wohl auch vom Glarner Heiligen, von Fridolin geerbt hat.

Besagter Fridolin habe laut Legende (Siehe Beitrag vom 4. Dezember) einen adligen Toten zeitlich begrenzt auferweckt. Oft wird er daher gemeinsam mit dem Skelett des wiederbelebten Ursus dargestellt. Mir scheint, diese Totenerweckung ist eher rudimentär ausgefallen und enthält etwas viel Halloween-Grusel.

Friedhöfe sind Orte der Ruhe. So wird in der neusten Ausgabe der Kultur- und Wanderzeitschrift "Transhelvetica" zum Thema "Stille" dazu geraten, die Ruhe auch auf Friedhöfen zu suchen.

Was mich betrifft, schätze ich den Gang zwischen den Gräbern durchaus. Solange ich dort noch nicht die letzte Ruhe suche, geht der Ruhestand noch recht dynamisch weiter.

Jörg Niederer

Montag, 8. Dezember 2025

Von Flugshows und Bärenstichen

Ein Zitat

Der Flughafen Mollis an einem ruhigen Morgen. Im Hintergrund der von Wolken teil verborgene Rautispitz-Ostgrat.
Foto © Jörg Niederer
"Als Nation können wir stolz darauf sein, dass wir weichherzig sind; aber wir können es uns nicht leisten, weich im Kopf zu sein." Franklin Delano Roosevelt (1882–1945)

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Der Flugplatz Mollis war lange Jahre ein Militärstandort. An einem ersten Flugtag im Jahr 1923 landete Walter Mittelholzer auf der damaligen Rasenpiste. Ab 1972 ist dort die Heli Linth angesiedelt, ab 1974 die Schweizerische Rettungsflugwache Rega. Bei Airshows landete hier auch schon einmal eine Lockheed Super Constellation. 2016 kamen einmal 25'000 Besucher:innen zu einer Zigermeet, wie man diese Flugvorführungen nannte. Als ich am Flugfeld vorbeiwanderte, startete ein einsamer Privatjet, und danach übten Flugschüler Landeanfüge und Starts, dieweil ein Mitarbeiter von der Rega sich an einem Heli zu schaffen machte. Sonst blieb es ruhig auf dem Rollfeld und bei den Hangars. Das gefällt mir. Da gibt es keine Reisenden mit grossen Koffern und Strohhüten. Es geht an diesem Morgen beschaulich und geruhsam zu und her.

Per Fahrrad und zu Fuss bewegt man sich über mehrere hundert Meter auf dem Gelände des Flugplatzes parallel zur Piste und passiert dabei getarnte und militärisch ausrangierte Flugzeughallen, um dann an Baustellen vorbei die ersten Häuser des Orts Mollis zu erreichen.

Mich hat fasziniert, wie sich die Wolken am Rautispitz-Ostgrat stauten und einem Schleier gleich den steilen östlichen Felsabbruch verbargen. Direkt da oben im Nebel wäre der für versierte Wandernde mit Klettererfahrung ersteigbare Bärenstichkopf. Woher er seinen Namen hat, konnte ich nicht herausfinden. Was ein Bienenstich ist, weiss ich. Einen dieser süssen Mehlspeisen gleichen Bärenstich ist mir nicht bekannt. Aber man muss ja nicht wissen, warum etwas heisst wie es heisst, um daran seine Freude zu haben.

Den Namen Mollis dagegen kann man erklären. Er kommt nicht etwa davon, dass dort mollige Menschen wohnten. Im Ortsnamen-Verzeichnis wird es so erklärt: "Mollis ist ein sekundärer Ortsname, der auf einen ursprünglichen Flurnamen vom Typus *mollĭānu(s) 'weicher, sumpfiger Boden' zurückgeht." Ob das Adjektiv "mollig" ebenfalls auf die latinische Bezeichnung von etwas Weichem zurückzuführen ist?

Jörg Niederer

Sonntag, 7. Dezember 2025

Gerechtigkeit und Frieden

Ein Zitat

Adventsschmuck hängt goldig glitzernd über den langen Rolltreppen am Flughafen Zürich.
Foto © Jörg Niederer
"Güte und Treue finden zueinander. Gerechtigkeit und Frieden küssen sich. Treue wächst aus der Erde empor. Gerechtigkeit scheint vom Himmel herab." Bibel, Psalm 85,11+12

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Hass und Neid spucken sich an, aber "Gerechtigkeit und Frieden küssen sich".

Auf dem dunklen Hintergrund von Hass und Neid wird die Zärtlichkeit im Bild von Gerechtigkeit und Frieden, die sich küssen, speziell deutlich. Da geht es nicht um den Buchstaben des Gesetzes, auch nicht um die Abwesenheit von Krieg. da geht es um das verliebte Zusammensein, um die Potenzierung der Geborgenheit. Es sind Hoffnungsbilder, welche die Psalmschreibenden mitten in eine erfüllt unerfüllte Verheissung hineingesprochen haben. Israel war nach dem Exil ins Land der Väter und Mütter zurückgekehrt und fand sich dort wieder einmal mehr in einem Land, das seinen Ertrag nur im Angesicht des Schweisses und der ständigen Bedrohung durch böse Nachbarn brachte. Dahinein ist die Verheissung Gottes wie die Hand der Mutter, die dem traurigen Kind über die Wange fährt, wie der Kuss zweier Verliebter, der alle Liebesbeteuerungen und Worte übersteigt und hinter sich zurücklässt. Drei Worte treffen den Sachverhalt: "Gott ist Liebe". Das gilt auch für diese Adventszeit.

Jörg Niederer

Samstag, 6. Dezember 2025

Morscher, leuchtender Berg

Ein Zitat

Der Mattstock zeigt seine höchsten Gipfel über dem Nebel in hellen Licht, dieweil die Welt bei Netstal noch im Schatten dämmert.
Foto © Jörg Niederer
"Oft denke ich an den Tod, den herben, / Und wie am End' ich's ausmach'?! / Ganz sanft im Schlafe möcht' ich sterben - / Und tot sein, wenn ich aufwach'!" Carl Spitzweg (1808–1885)

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Nach so viel Kultur kommt heute wieder einmal etwa Natur. Der Blog heisst ja nicht "Nicht nur Kultur", sondern "Nicht nur Natur"; also sollte die Natur doch leicht im Vorteil sein.

Bewegt man sich von Zürich her auf den Walensee zu, erhebt sich rechts von diesem ein Berg, der ein wenig aussieht wie eine Burg mit zwei Türmen an jeder Seite. Mürtschenstock wird er genannt. Er teilt sich auf in den Vorderstock (Böder), Mittstock (Fulen) und Hinterstock (Ruchen). Seine Namen hat der Berg wohl aufgrund seines geologischen Zustands. Die Kalke, aus denen er besteht, sind äusserst brüchig, beziehungsweise morsch. Genau das ist mit "Mürtschen" gemeint. Ebenso wird Ruchen mit "rau" und Fulen mit "faul" in Verbindung gebracht.

Dieser Berg zeigte am 1. Dezember morgens um halb Zehn nur gerade seine höchsten Erhebungen, als ich ihn von Ziegelbrücke aus erblickte. Was von ihm zu sehen war, leuchtete jedoch umso heller, während die restliche Welt noch in Nebel und Schatten getaucht dem Tag entgegendauerte.

So kann der Advent auch sein. In einer Welt, in der alles zu zerbröckeln scheint, erstrahlt ein Licht der Hoffnung.

Jörg Niederer

Freitag, 5. Dezember 2025

Untersuchungsverfahren

Ein Zitat

Die Höhere Fachschule in Ziegelbrücke.
Foto © Jörg Niederer
"Der Untersuchungsausschuss gestaltet sein Verfahren nach freiem Ermessen, hat jedoch dem Beschuldigten, dem Anzeigeerstatter und dem zuständigen Pastoralen Mitglied mit Aufsichtsfunktion Gelegenheit zu persönlicher Anhörung zu geben." Kirchenordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche, Art. 7,3 

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Wieder einmal wandere ich an der Höheren Fachschule in Ziegelbrücke vorbei. Vor Jahren als ich Distriktsvorsteher (eine Art Regionalverantwortlicher mit Aufsichtsfunktion) war, fand hier die einzige, je gegen mich erfolgte kircheninterne Untersuchung gegen mich statt. Eine Pfarrperson fühlte sich von mir ungerecht behandelt. Geleitet wurde das Verfahren, das zu meinen Gunsten ausging, durch eine Laienperson aus der Kirche. Genau dieser Frau bin ich drei Stunden bevor das Foto von der Fachschule entstand, zufällig auf dem Bahnhof Ziegelbrücke begegnet. Zuvor habe ich sie gut zehn Jahre nicht mehr gesehen.

Ich stand also auf dem Bahnhof und wartete auf den Zug nach Glarus, da glaube ich einige Perrons entfernt eben diese Frau zu sehen, zusammen mit ihrem Ehepartner. Ich mache mich bemerkbar, winke. Zaghaft winken die beiden zurück, doch ich kann gut erkennen, dass sie sich unsicher sind. Fragend schauen sie zu mir herüber. Ich hole meinen Schlauchschal hervor, zeige auf das Logo der Evangelisch-methodistischen Kirche, zu der wir beide gehören. Doch sie kann es wohl aus der Distanz nicht erkennen. Dann steige ich in den zwischenzeitlich eingefahrenen Zug ein.

Zuhause schreibe ich der Frau, will wissen, ob ich da eine wildfremde Person verunsichert habe, oder ob sie es wirklich gewesen ist. So sicher bin ich mir nicht mehr; in meinem Alter meint man ja manchmal Dinge oder Personen zu sehen, die es gar nicht gibt.

Nach einigen Tagen kommt die Antwort. Ja, sie war es. Meine Aktion mit dem Schlauchtuch habe sie jedoch vollends verunsichert. "Als du dann noch eine Schal geschwenkt hast, war ich mir nicht mehr sicher", schreibt sie.

So kann es gehen. Was helfen soll, irritiert erst recht. Fast ein wenig so, wie damals bei der Untersuchung gegen mich.

Jörg Niederer

Donnerstag, 4. Dezember 2025

Bei Fridolin

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Der Heilige Fridolin, Kantonspatron von Glarus, steht bei Näfels auf einem Kreisel, geschmückt mit vielen Luftballons.
Foto © Jörg Niederer
"Mit ihren Herden wieder hin, / ziehen die Schäfer an Fridolin." Bauernregel zum Namenstag von Fridolin am 6. März.

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Beim Namen Fridolin kam mir lange Jahre vor allem ein Dackel in den Sinn. Die Geschichte, geschrieben von Franz Caspar, dem Autor des noch bekannteren Buchs "Rösslein Hü", war in den meisten Kinderzimmern zuhause. So auch in meinem. Erst viel später wunderte ich mich, dass ein Dackel ausgerechnet den Namen eines Kantonsheiligen trägt, notabene des einzigen Menschen auf einem schweizerischen Kantonswappen.

Fridolin ist mir denn auch mehrfach im Kanton Glarus begegnet. Noch bin ich auf meiner Kapellentour nicht ganz fertig mit diesem Stand. Es fehlen noch etwa zehn Kilometer Glarus.

Wer ist nun dieser Heilige Friedolin, der stets mit Wanderstab und Bibel dargestellt wird? Selbst bei der stilisierten Figur auf dem Kreisel bei Näfels dürfen diese beiden Attribute nicht fehlen, auch wenn abgesehen vom Kopf und den Händen wenig an eine menschliche Gestalt erinnern.

Fridolin soll in Bad Säckingen DE das sogenannte Fridolinskloster gegründet haben. Das war im 6. Jahrhundert. Der adlige Fridolin wurde in der irischen Klosterschule des Erzbistums Armagh ausgebildet, war aber nie ein Mönch. Die Legende erzählt, wie dieser Fridolin sich um den Wiederaufbau des Klosters Poitiers in Gallien bemühte, um sich nach vollendetem Werk als Wanderprediger auf Missionsreise zu begeben. Diese habe ihn dann über Metz und Strassburg nach Chur geführt. Seine Kirchen- und Klostergründungen, auch die spätere in Säckingen, waren alle dem Heiligen Hilarius von Poitiers geweiht.

In den Besitz von Glarus kam Fridolin durch eine Schenkung der Brüder Ursus und Landolphus, wobei letzterer versucht haben soll, ihn nach Ursus' Tod um seinen Anteil zu betrügen. Darauf habe Fridolin Ursus vorübergehend vom Tod auferweckt, um diese Sache klipp und klar durch Ursus klären zu lassen.

Das ist denn auch der Grund, warum Friedolin Schutzheiliger gegen Erbschleicherei ist.

Endgültig zum Kantonspatron wurde Fridolin in der Schlacht zu Näfels am 9. April 1388, in der die Glarner unter dem Banner des Fridolin die habsburgische Übermacht aus der Eidgenossenschaft vertreiben konnten.

Kriegerisches habe ich in Glarus nicht vor. Das Erbe des Fridolin muss ich ihm auch nicht streitig machen. Aber wandernd fühle ich mich dem Mann aus Irland schon ein wenig verbunden. Fridolin, wir sehen uns!

Jörg Niederer

Mittwoch, 3. Dezember 2025

Sprengholz

Ein Zitat

Warnende Anschrift, angebracht an einem Holzlager bei Bilten. Zwischen den Holzscheiten seien Sprengkapseln angebracht.
Foto © Jörg Niederer
"Wer mit dem Feuer spielt, kann sich dabei die Finger verbrennen." Sprichwort

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Irgendwo zwischen Reichenburg und Bilten hat ein Bauer sein Holzlager errichtet. An den Holzscheiten angeheftet ist zu lesen: "!!! ACHTUNG !!! / Holzscheiter sind mit / !! SPRENGKAPSELN !! / bestückt!!!"

Dreizehn Ausrufezeichen enthält diese doch recht ungewöhnliche Warnung an Holzdiebe.

Ich käme ja nie auf den Gedanken, Holz zu klauen. Wozu auch. Wir haben kein Cheminée zu Hause, und hier auf der Wanderung will ich auch nicht gerade eine Wurst bräteln. Doch so eine Warnbeschriftung macht mich neugierig? Was ist da dran, an diesen Sprengkapseln? Sind die wirklich da. Was bewirken sie? Jagen sie einen Schrecken ein, aber sonst sind sie ungefährlich? Oder sprengen sie die Holzscheite in alle Richtungen, so dass ich mich verletzen könnte.

Ich denke, das mit den Sprengkapseln ist ein "leeres Versprechen". Das würde von den Behörden nie akzeptiert. Viel zu gefährlich wäre es, Kinder solch pyrotechnischen Spielereien auszusetzen.

Und was, wenn der Bauer sich selbst überrascht mit seinen Sprengfallen? Also ich hätte grosse Lust, der Sache auf den Grund zu gehen, und bei so einer Holzbeige das Unterste nach ganz oben zu kehren. Es darf spekuliert werden.

Jörg Niederer

Dienstag, 2. Dezember 2025

Seerose und Kiwi

Ein Zitat

Das über 400-jährige Haus Seerose in Männedorf gehört zur Bethesda Alterszentren AG.
Foto © Jörg Niederer
"Herr segne dieses alte Haus / und die da gehen ein und aus / bewahre sie vor Neid und Stolz / so lang es heisst im / Hinterholz" Hausanschrift im Hinterholz, Gemeinde Hombrechtikon

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Ich gebe es zu: Zwischen der Evangelisch-methodistischen Kirche Glarus (siehe Beitrag vom 29. November und 30. November 2025) und der Seerose in Männedorf fehlen mir noch 22 Kilometer, die ich noch nicht zu Fuss hinter mich gebracht habe. Aber das ist auch nur noch eine Frage der Zeit. Bis heute sind es nun schon 122 Kilometer geworden, seit ich am 28. Oktober in Wollishofen zu dieser Kapellentour aufgebrochen bin.

Nun gibt es nebst den methodistischen Kapellen noch andere Liegenschaften, die man dem näheren und weiteren Umfeld der methodistischen Arbeit in der Schweiz zuordnen kann. Dazu gehören Häuser, die aus der Arbeit der Diakonissenhäuser von Bethesda Basel und Bethanien Zürich sowie deren Nachlässen hervorgegangen sind. In Männedorf steht zum Beispiel direkt am Zürichsee die Seerose. Das Haus wurde im Jahr 1599 erbaut, und wechselte mehrfach die Besitzer. 

Darin wohnten wohl einst ein Hauptmann, mehrere Geschworene und ein Sekelmeister. Zum Altersasyl von Männedorf wurde die Seerose im Jahr 1897. Damals gab es auch schon das Bibelheim in Männedorf. Das heutige ACASA Männedorf nahm seinen Anfang mit dem Wirken von Dorothea Trudel. Dies hatte jedoch einen anderen Charakter, eher den eines Privatspitals und Sanatoriums. Erst 1908 entstand im Rahmen des Bibelheims ein Altersheim im Haus Tiefenau.

Somit ist die Seerose wohl das älteste Altersheim im schönen Ort am Zürichsee. Zu Beginn lag die Leitung des Altersasyls in den Händen der Evangelisch-reformierten Kirche. Später gelangte das Haus in den Besitz eines dafür gegründeten Vereins. Noch 2012 fanden umfangreiche Umbau- und Rennovationsarbeiten statt.

Heute gehört die Seerose zur Bethesda Alterszentren AG, einer gemeinnützig ausgerichteten, überregional tätigen Verbundorganisation im Bereich Wohnen, Betreuung und Pflege im Alter. Dazu gehören in der ganzen Schweiz 27 Einrichtungen. Die Seerose wird als Aussenstation der Residenz Küsnacht geführt. Vierzehn Bewohnerinnen wird dort von 20 Mitarbeitenden ein persönlicher Wohn- und Lebensraum im Alter ermöglicht.

Was mir am Ziel meiner Wanderung mit Start in Feldbach aufgefallen ist: Im Garten der Seerose wachsen Kiwis und es hat eine alte Räucherkammer. Auch Zugang zum See gibt es durch eine Stichstrasse. Und auch das gehört zur Philosophie der Bethesda Alterszentren AG: Das oberstes Ziel sei, dass sich alle Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, Religion und ihres Lebenskonzeptes wohl fühlen. Die seelsorgliche Begleitung der Bewohnenden wird daher in den grösseren Häusern durch angestellte Seelsorger:innen gewährleistet. In kleineren Altersheimen wie der Seerose arbeitet man mit den lokalen Pfarrpersonen zusammen.

Jörg Niederer

Montag, 1. Dezember 2025

Jelmoli-Berg

Ein Zitat

Auf dem Weg nach Glarus kommt man am Fronalpstock vorbei, ein schön geformter Zweitausender.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn Berge da sind, weiß ich, dass ich da hinaufgehen kann, um mir von oben eine neue Perspektive vom Leben zu holen." Hubert von Goisern (*1952), österreichischer Musiker

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Jelmoli-Berg wird er von den Einheimischen im Glarnerland genannt: der Fronalpstock. Davon gibt es übrigens in der Schweiz noch einen, der steht aber am Vierwaldstättersee, und ist mindestens so beliebt wie der Glarnerische. Wohlgeformt ist er, darum wird er auch oft besucht, darum auch "Jelmoli-Berg" als Anspielung auf das einst hochfrequentierte Warenhaus in Zürich, das es ja seit Februar 2025 nicht mehr gibt. Logischerweise müsste wohl jetzt auch ein neuer Übername für den Fronalpstock gesuchte werden, vielleicht Shoppi-Tivoli-Berg oder Ikea-Berg.

Der Fronalpstock im Kanton Schwyz ist übrigens 202 Meter weniger hoch als der hier abgebildete. Nach wie vor muss er zu Fuss erklommen werden; ein Glarner Wandergipfel von stattlichen 2123 Metern Höhe.

Heute werde ich wieder im Glarnerland sein. Am vergangenen Freitag glitzerte der Fronalpstock in der Sonne. Ob er sich diesmal auch wieder in seiner ganzen Pracht zeigt?

Jörg Niederer

Sonntag, 30. November 2025

Ein Licht anzünden

Ein Zitat

Glasfenster nach einem Entwurf von Christian Oehler in der Evangelisch-methodistischen Kirche Glarus. Ausführung: Heinrich Rudolf Süess-Naegeli, Zürich 1972
Foto © Jörg Niederer
"Und jetzt sagt er [Gott]: 'Ja, du bist mein Knecht. Du sollst die Stämme Jakobs wieder zusammenbringen und die Überlebenden Israels zurückführen. Aber das ist mir zu wenig: Ich mache dich auch zu einem Licht für die Völker. Bis ans Ende der Erde reicht meine Rettung.'" Bibel, Jesaja 49,6

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Der Bibelvers aus dem Buch Jesaja redet von einem Knecht. Wer damit gemeint ist, ist unsicher. Wahrscheinlich war es der Prophet selbst, aber auch Israel (Jesaja 49,3) könnte gemeint sein. Entscheidend fürs Verstehen ist das nicht. Wichtiger ist, dass wir den Auftrag verstehen, den dieser Knecht bekommen hat. Es ist ein Auftrag für die ganze Welt. Er ist als Licht für die Völker berufen, damit Heil zu jedem Menschen kommen kann.

Gerade jetzt wieder brennen die Advents- und Weihnachtslichter in den Strassen. Das ist eher Reklame für eine überbordende Konsumgesellschaft und weniger Zeichen für die Botschaft der Hoffnung, die Gott schenkt.

So gibt es auch jetzt christlich geprägte Stimmen, welche die geistige und moralische Finsternis dieser Welt beklagen, welche über Not und Elend, Krieg und Bedrohungen jammern, ja über eine Zeit, die böse geworden ist, weil die Menschheit auf dem falschen Weg sei. Diesen Leuten, die so sprechen, sei ein chinesisches Sprichwort gesagt: "Besser ein Licht anzünden als auf die Dunkelheit schimpfen."

Menschen, die auf Jesus Christus hoffen, sind nicht da, um das Elend auf dieser Welt zu beklagen, sondern um in dieses Elend, in diese Finsternis hinein ein wirkliches Licht der Mitmenschlichkeit anzuzünden. Es geht darum, ein Licht für die Welt zu sein. Wer auf Christus hofft, ist Knecht und Magd Gottes, berufen als Licht für die Welt, als Hoffnungstragende:r ins Weihnachtsdunkel hinein.

Jörg Niederer

Samstag, 29. November 2025

Im Zigerschlitz

Ein Zitat

Selfie vor der Kapelle der Evangelisch-methodistischen Kirche in Glarus.
Foto © Jörg Niederer
"Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit» Friedrich Schillers Worte beschreiben auch den Pioniergeist in Glarus

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Nach 51 Kilometern, aufgeteilt auf drei Etappen, bin ich endlich in Glarus angekommen. Der letzte Abschnitt davon startete gestern in Eiseskälte in Reichenburg, führte bei heftigem, kalten Gegenwind an der KVA Linth vorbei, um kurze Zeit später in den sonnengewärmten Zigerschlitz einzubiegen. In Näfels dann wartete das Schlachtdenkmal, in dem die Helden der Eidgenossenschaft gefeiert werden für ihren Sieg im Jahr 1388 über ein zehnfach überlegenes habsburgisches Heer. Weiter spazierte ich der Linth entlang, auch als Escherkanal bekannt, am Flugplatz Mollis vorbei, und erlebte, wie kurz nach 13 Uhr die Sonne hinter dem Glärnisch unterging. Zum Glück nicht für immer, denn etwas 800 Meter weiter tauchte sie wieder auf und liess nicht mehr locker bis vor die Evangelisch-methodistische Kirche (EMK) in Glarus.

Durchs Fester des Kirchenteils entdeckte ich eine Person bei Staubsaugen, was die Hoffnung auf einen Besuch im Inneren der Kapelle nährte. Tatsächlich wurde ich von Urs, dem Hausverwalter, freundlich empfangen. Auch Pfarrer Bernd wurde dazu geholt, der sich darüber wunderte, dass endlich man ein Kollege den weiten Weg nach Glarus gefunden hatte. Erst aber wurde ich etwas beiseite gestellt, da es noch galt, die nicht über jeden Zweifel erhabenen Mikrofone für den Gottesdienst vom Samstagabend am richtigen Ort zu platzieren. Dann aber bekam ich eine schöne, grosse Tasse Kaffee, mein erstes warmes Getränk an diesem Bilderbuchwettertag mit Nonstop-Wanderung. Die Gespräche am Tisch drehten sich in der Folge über Gott und die Welt, über die EMK-Gemeinde, die Kirchenmusik, Peter Spuhler und so einige gemeinsame Bekannte, über die wir natürlich nur Gutes ausgetauscht haben.

Doch, die 20 Kilometern lange Fussreise in die verschneite Bergwelt des Sardona-UNESCO-Naturerbes hat sich bestens gelohnt. Da bin ich nicht zum letzten Mal gewesen. Ich muss (will) schliesslich dann auch wieder von Glarus zurück an den Zürichsee wandern.

Jörg Niederer

Freitag, 28. November 2025

Schattensprünge

Ein Zitat

Früh morgens beim Bahnhof Frauenfeld reicht mein Schatten über den Lauf der Murg ans andere Ufer.
Foto © Jörg Niederer
"Kirche funktioniert in dogmatisch geheiligtem Schneckentempo... Willst du was bewegen? Bring Snacks. Viel Geduld. Und ein dickes Fell." Ina Jäckel, Pastorin

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Manchmal möchte ich schon da sein, wo mein Schatten bereits angekommen ist. Doch so einfach ist das nicht. Jeder Prozess, jeder Weg verlangt eine gewisse Anstrengung. Einmal komme ich leichter voran, dann ist es eine wirklich beschwerliche Reise.

Manchmal bin ich meinem Schatten auch schon weit voraus. Dann folgt er mir, lässt sich nicht abschütteln. Der Schatten hat kein Gewicht, ich muss ihn nicht hinter mir herschleppen oder vor mir herstossen. Aber er zieht mich leider auch nicht mit sich mit. Das ist gut, wenn es in die falsche Richtung gehen sollte. In die richtige Richtung könnte er mich schon etwas mehr unterstützen.

Als ich beobachtete, wie mein Schatten zum Zeitpunkt des Sonnenaufgangs mit Leichtigkeit auch den Wasserlauf der Murg überhüpfte, sagte ich mir: Da muss noch mehr gehen. Zum Beispiel könnte es ja sein, dass beim ersten Sonnenstrahl mein Schatten gar die 12 Kilometer weit entfernten Ufer des Neusiedlersees verbindet. Doch will ich wirklich über diese Distanz hoffnungslos hinter meinem Schatten zurückbleiben. Besser ich warte, bis sich die Sonne dem Zenit annähert, und meinen Schatten vom andern Ufer wieder zu mir zurück gleitet.

Als Gleichnis spricht der Schattenwurf in mein Leben hinein. Am Morgen früh gehen meine Pläne und Erwartungen weit in die Zukunft. Doch mit den Stunden werden die damit verbundenen Hoffnungen kleiner, bis sie beim Menschenmöglichen angekommen sind. Doch dann denke ich zurück an das, was auf diesem Weg gelungen oder misslungen ist. Ich drehe mich um, und sehe immer klarer, wie die Probleme wie Schatten anwachsen und dann glücklich im Sonnenuntergang flammend untergehen. Nun habe ich Ruhe, bis zum nächsten Morgen mit seinen neuen grossen Erwartungen.

Jörg Niederer

Donnerstag, 27. November 2025

Christusaugen

Ein Zitat

Blaue und weisse Stiefmütterchen mit Rändern aus Raureif in einem Zierbeet in Winterthur.
Foto © Jörg Niederer
"Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen." Redensart aus dem Märchen Aschenputtel

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Dass die Freidenker ausgerechnet eine Blume als Symbol ausgesucht haben, die auch "Christusauge" genannt wird, ist schon erstaunlich. Sie haben sich wohl stärker an der französischen Bezeichnung "La Pensée" orientiert, welche nicht nur die Bezeichnung für das Stiefmütterchen ist, sondern auch noch mit "der Gedanke" übersetzt werden kann.

Beim Nachdenken komme ich als Pfarrer schon früher oder später auf Christus, wobei ich da weniger an sein Auge denke.

Nun gibt es nebst dem Stiefmütterchen noch andere Blütenpflanzen, welche Christusauge genannt werden. Da wären die Konen-Lichtnelke, die Ringelblume, der Christusaugen-Alant und der Echter Bartpippau. Das Auge des Christus ist damit kaum blumentechnisch genau zu bestimmen, einmal abgesehen davon, dass alle so bezeichneten Blumen schön sind.

Die Bezeichnung "Stiefmütterchen" ist vom Märchen der bösen Stiefmutter (bzw. von Aschenputtel oder Cinderella) hergeleitet. Dabei werden die fünf Blütenblätter auf die verschiedenen Rollen aufgeteilt. Das eine zentrale, visuell unten befindliche Kronblatt ist die "Stiefmutter". Dieses bedeckt teilweise die darüber liegenden zwei seitlichen "Töchter", und diese ihrerseits die beiden "Stieftöchter"

Genau so funktioniert das Gedächtnis. Mit einer Geschichte erinnere ich mich leichter an Namen, Reihen und Ereignisse. Damit wären wir wieder bei der französischen Bezeichnung: "La Pensée", also beim Gedenken und Nachdenken. Der Kreis schliesst sich.

Bleibt noch eine offene Sache: Im Märchen von Aschenputtel ist von zwei Stiefschwestern die Rede, aber nicht von zwei Aschenputteln. Vielleicht gibt es ja eine entsprechende Version, die mir aber nicht bekannt wäre. Vermutlich hat man es bei der Blumen-Namensgebung der "Stiefmütterchen" nicht ganz so genau genommen mit der Geschichte. Da bekommt der Ausruf: "Erzähl keine Märchen" doch gleich noch eine tiefere Bedeutung.

Jörg Niederer

Mittwoch, 26. November 2025

Gwunder

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Portraits zweier Toggenburger Ziegen auf einer Weide bei Reichenburg.
Foto © Jörg Niederer
"Wenn eine Ziege zur Stelle ist, soll kein anderer für sie meckern." Redensart aus Afrika

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Sie sind neugierig, aufmerksam, gwundrig. Die Toggenburger Ziegen, nach denen ein Mann in Arbeitskleider schaut. Auf Schritt und Tritt traben sie hinter ihm her, wissen aber auch genau, dass sie trotz offenem Zauntor auf der Weide zu bleiben haben. Dann entdecken sie mich und kommen näher, um diesen seltsamen Zweibeiner zu begutachten. Kess stehen sie da. Ich muss Lachen ob ihrer Mimik. Keine Frage, sie haben Freude an mir, und ich Freude an ihnen.

Dass es Toggenburger Ziegen sind, erfahre ich vom Besitzer. Es sei ein Hobby, die Tiere zu halten. Bei Wikipedia erfahre ich später, dass es die zweithäufigste Ziegenart der Schweiz ist, und dass sie im Schnitt 3 Liter Milch geben.

Zeit, einen Ziegenkäse zu geniessen und dabei in tierischen Erinnerungen zu schwelgen.

Jörg Niederer


Dienstag, 25. November 2025

Das alte Haus...

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Das Einsiedlerhaus in Hombrechtikons Ortsteil Schlatt ist schon über 500 Jahre alt.
Foto © Jörg Niederer
"Dein Haus soll ein Sammelort der Weisheit sein." Babylonischer Talmud 

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Ein älterer Herr sägt im Garten etwas umständlich Äste entzwei. Ich frage ihn, wie es so sei, in diesem alten Haus zu leben. Da meint er verschmitzt, er sei ja noch nicht so alt!

Ich spreche vom ältesten Haus auf dem Boden der Gemeinde Hombrechtikon, vom sogenannten "Einsiedlerhaus". Es steht im Ortsteil Schlatt, hart an der Kantonsgrenze.

Dendrochronologische Untersuchungen haben ergeben, dass das Haus schon 511 Jahre alt ist. Die Besitzverhältnisse sind ab dem Jahr 1691 bekannt.

Vermutlich hat das Haus den Namen von seiner Lage an der Pilgerroute nach Einsiedeln. Aber er könnte auch von späteren Bewohner:innen stammen, lebten doch ab dem Jahr 1419 Brüder eines Bettelordens in Schlatt, und später dann 14 franziskanische Terziarinnen.

Die Hauskonstruktion ist sehr urtümlich. Es handelt sich um einen Bohlenständerbau, einem der ältesten im Kanton Zürich. Dabei werden die Zwischenräume stehender Balken, "Ständern" genannt, mit groben Holzbrettern, den sogenannten "Bohlen" flächig aufgefüllt. Besonders im oberen Teil des Hauses ist diese Konstruktion gut zu erkennen. Ebenfalls Original ist das Krüppelwalmdach. Dabei handelt es sich um eine Dachkonstruktion, die auf den vier Seiten mit einer Schräge versehen ist, dem sogenannten "Walmdach". Weil auf den Stirnseiten diese Schrägen aber nur auf halbe Traufhöhe hinabgezogen sind, nennt man es eben "Krüppelwalmdach" oder auch "Kurzwalmdach".

Ja, so ein altes Haus ist schon etwas Besonderes.

Jörg Niederer

Montag, 24. November 2025

Erzwungene Kopulation

Ein Zitat

Ein Stockentenpaar schwimmt in einem Bach eines Vorgartens umher.
Foto © Jörg Niederer
"Ist das Weibchen [der Stockente] paarungswillig, nimmt es seine typische Haltung ein, indem es sich flach auf das Wasser legt und den Schwanz anhebt." (Lucy Cooke, Bitch, München 2023, S. 170) 

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Im Tierreich gibt es etwas ähnliches wie die Vergewaltigung. Die Biologen nennen es "Erzwungene Kopulation". Das macht Sinn. Denn anders als bei Menschen geht es dabei nicht um Machtausübung, sondern um den Versuch von Erpeln, eigenen Nachwuchs zu zeugen.

Selbst habe ich die erzwungene Kopulation schon bei Stockenten beobachtet. Dabei haben zwei Erpel das Weibchen eines Entenpaares ins Visier genommen und versucht, mit diesem zu kopulieren. Das verpaarte Männchen tat alles, um dem Weibchen zu helfen, aber wohl ohne Erfolg. Nacheinander kamen die beiden Stockenten zum Schuss. Danach wurde es wieder ruhig.

Möglich ist die erzwungene Kopulation, weil Entenerpel einen Penis haben. Die meisten heutigen Vögel haben dieses Relikt aus grauer Vorzeit nicht mehr. Meist ist der Entenpenis klein verpackt im Körper verborgen. Doch in der Paarungszeit kann er das Zehnfache an Grösse erreichen. Aufgepumpt wird er in Sekundenbruchteilen mittels der Lymphe, einer klaren Flüssigkeit. Das Ergebnis bei der Stockente ist ein spiralförmiges, mit feinen Rippen versehenes Glied, das nicht so ohne weiteres in die Vagina des Weibchens eingeführt werden kann. Denn diese Vagina ist genau anders herum gewunden und enthält noch so einige weitere Gänge, die in Sackgasse enden. Nur wenn das Weibchen sich selbst mit dem Erpel paaren will, nimmt es eine ganz bestimmte für die Paarung erfolgreiche Stellung ein. Erzwungene Kopulation führen nur in 4 % der Fälle zum Erfolg.

Lange Zeit meinte man, das Entenweibchen sei nicht in der Lage, die Gene seiner Jungen mitzubestimmen. Heute weiss man, dass es gerade anders herum ist: Die Weibchen bestimmen über den Ausgang einer Kopulation. Zwar können sie erzwungene Kopulationen nicht verhindern, sie sind ja auch kleiner und schwächer als die Erpel, aber den Weg der Gene bestimmen nicht die Erpel, sondern die Entenhennen, mittel biologischer Empfängnisverhütung.

Jörg Niederer

Sonntag, 23. November 2025

Aus dem Totenreich

Ein Zitat

Die Stadtpfarrkirche St. Johannes und die Liebfrauenkapelle auf dem Schlosshügel von Rapperswil.
Foto © Jörg Niederer
"Herr, mein Gott, dir will ich von Herzen danken und deinem Namen für immer die Ehre geben. Denn deine Güte übertrifft alles in meinem Leben. Du wirst mich aus dem Totenreich ziehen, ganz unten aus der Tiefe." Bibel: Psalm 86,12+13 

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Von der Errettung aus dem Totenreich, der Erlösung der armen Seelen aus dem Fegefeuer, davon sprach ein Geistlicher auf einem dieser religiösen Privatfernsehsendern. Was ich hörte, kam mir vor wie Worte eines esoterischen Telefonabzockers. Einmal mehr irritierte mich, was alles im Namen des Glaubens geglaubt wird.

Das Totenreich kann unserem Leben so nahe sein, so konkret, so furchtauslösend. Errettung aus dem tiefen Totenreich – dahinter stand für den Psalmdichter wohl eine existenzielle Krise, eine lebensbedrohliche Krankheit, eine scheinbar hoffnungslose Situation. Es sind Zeiten, in denen das Sterben Erlösung brächte. Doch dann ergreift Gott die Initiative, schenkt einen überraschenden Umschwung der Erfahrungen und Gedanken. Gottes Gnade steht gross über dem Menschen, der sich schon aufgegeben hat. Das heisst doch: Gott lässt dich nicht fallen. Gott, nicht irgend ein Heiler, zieht dich aus dem tiefen Totenreich.

Jörg Niederer

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